Eine kürzlich durchgeführte Studie liefert besorgniserregende Ergebnisse in Bezug auf polygene Risikowerte bei der Vorhersage von Krankheiten. Die Analyse von 926 polygenen Risikowerten für 310 Krankheiten ergab, dass im Durchschnitt nur 11% der Personen, die tatsächlich an einer Krankheit erkranken, korrekt durch diese Risikowerte identifiziert werden können. Überraschenderweise testen jedoch 5% der Personen, die die Krankheit nicht entwickeln, dennoch positiv. Das bedeutet, dass die Anzahl der nicht betroffenen Personen, die dennoch positiv getestet werden, signifikant höher ist als die Anzahl der tatsächlich Betroffenen, was zu einer hohen Anzahl von falsch positiven Vorhersagen führt.

Einführung

Polygene Risikoscores haben in den letzten Jahren an Popularität gewonnen als Werkzeug zur Vorhersage des Risikos, bestimmte Krankheiten zu entwickeln. Diese Scores werden anhand des Vorhandenseins von mehreren genetischen Varianten, die mit der jeweiligen Krankheit assoziiert sind, berechnet. Obwohl sie wertvolle Einblicke in die genetischen Veranlagungen Einzelner bieten können, ist es wichtig, ihre Grenzen zu verstehen, um eine fehlerhafte Interpretation der Ergebnisse zu vermeiden.

Die Studie und ihre Ergebnisse

Eine kürzlich durchgeführte Studie analysierte umfassend 926 polygene Risikoscores für 310 Krankheiten. Die Ergebnisse zeigten ein besorgniserregendes Muster – die Fähigkeit dieser Risikoscores, Personen zuverlässig zu identifizieren, die tatsächlich eine Krankheit entwickeln, war stark begrenzt.

Im Durchschnitt werden nur 11% der Personen, die später eine Krankheit entwickeln, durch diese Risikoscores korrekt identifiziert. Das bedeutet, dass die Mehrheit der Personen, die eine Krankheit entwickeln, nicht korrekt anhand ihrer polygenen Risikoscores vorhergesagt wird.

Darüber hinaus zeigte die Studie, dass 5% der Personen, die die Krankheit nicht entwickeln, dennoch positiv getestet werden basierend auf ihren polygenen Risikoscores. Dies deutet auf eine hohe Anzahl von falsch positiven Vorhersagen hin, wobei nicht betroffene Personen fälschlicherweise als gefährdet identifiziert werden.

Grenzen von polygenen Risikoscores

Das Verständnis der Grenzen von polygenen Risikoscores ist entscheidend für die Bewertung ihrer Nützlichkeit bei der Krankheitsvorhersage. Hier sind einige wichtige Einschränkungen zu beachten:

1. Unvollständiges Wissen über genetische Varianten

Polygene Risikoscores basieren auf der Identifikation von genetischen Varianten, die mit einer bestimmten Krankheit assoziiert sind. Unser Verständnis des menschlichen Genoms entwickelt sich jedoch noch immer, und viele krankheitsassoziierte Varianten sind noch nicht entdeckt worden. Dieses unvollständige Wissen kann dazu führen, dass wichtige genetische Faktoren bei der Berechnung der Risikoscores ausgelassen werden, was ihre Genauigkeit reduziert.

2. Multifaktorielle Natur von Krankheiten

Die meisten Krankheiten sind komplex und resultieren aus einer Kombination von genetischen, Umwelt- und Lebensstilfaktoren. Polygene Risikoscores konzentrieren sich ausschließlich auf genetische Faktoren und vernachlässigen andere wichtige Faktoren für die Krankheitsentwicklung. Daher können diese Risikoscores die volle Komplexität der Krankheitsursache nicht erfassen und ihre Vorhersagegenauigkeit ist begrenzt.

3. Wechselwirkungen zwischen genetischen Varianten

Genetische Varianten wirken nicht isoliert – sie interagieren miteinander und mit Umweltfaktoren, um die Krankheitsentwicklung zu beeinflussen. Polygene Risikoscores berücksichtigen in der Regel diese Wechselwirkungen nicht, was ihre Vorhersagekraft weiter reduziert. Das Verständnis des komplexen Zusammenspiels zwischen genetischen Varianten ist essentiell für eine zuverlässige Krankheitsvorhersage.

4. Variabilität zwischen Populationen

Polygene Risikoscores basieren oft auf Studien, die in bestimmten Populationen durchgeführt wurden. Genetische Variationen und ihre Auswirkungen auf das Krankheitsrisiko können zwischen verschiedenen Populationen variieren. Das Anwenden von Risikoscores, die in einer Population entwickelt wurden, auf eine andere kann zu ungenauen Vorhersagen führen. Das Fehlen von Vielfalt in genetischen Datenbanken, die zur Entwicklung der Risikoscores verwendet werden, kann die Anwendbarkeit auf eine breitere Bevölkerung einschränken.

5. Umwelt- und Lebensstilfaktoren

Polygene Risikoscores berücksichtigen nicht Umwelt- und Lebensstilfaktoren, die das Krankheitsrisiko maßgeblich beeinflussen können. Ernährung, Bewegung, Rauchgewohnheiten und die Exposition gegenüber Toxinen sind nur einige Beispiele für Faktoren, die das Krankheitsrisiko beeinflussen können. Das Ignorieren dieser wichtigen Variablen kann die Zuverlässigkeit der polygenen Risikoscores in realen Szenarien einschränken.

Auswirkungen und zukünftige Entwicklungen

Die Grenzen von polygenen Risikoscores verdeutlichen die Komplexität der Krankheitsvorhersage. Obwohl diese Scores wertvolle Einblicke in die genetische Veranlagung einer Person bieten können, sollten sie nicht als definitive Krankheitsvorhersager betrachtet werden. Es ist entscheidend, andere Faktoren einzubeziehen und robuste Risikobewertungsstrategien zu priorisieren, die ein holistisches Verständnis der Krankheitsursachen berücksichtigen.

In Zukunft werden weiterführende Fortschritte in der genetischen Forschung und ein tieferes Verständnis der Interaktionen zwischen Genen und Umwelt zur Verfeinerung polygener Risikoscores beitragen. Zusätzlich wird die Integration persönlicher Gesundheitsdaten, Familienanamnese und Lebensstilfaktoren in die Krankheitsvorhersagemodelle ihre Genauigkeit und Zuverlässigkeit verbessern.

Schlussfolgerung

Polygene Risikoscores haben das Potenzial als Werkzeug zur Krankheitsvorhersage, aber ihre Grenzen müssen berücksichtigt werden. Mit der Weiterentwicklung unseres Verständnisses von Genetik und Krankheitsentstehung wird auch die Genauigkeit und Nützlichkeit dieser Risikoscores zunehmen. Die Integration eines multifaktoriellen Ansatzes, der genetische, Umwelt- und Lebensstilfaktoren berücksichtigt, wird entscheidend sein, um genauere Vorhersagemodelle zu entwickeln und Krankheitsprävention- und Managementstrategien zu verbessern.

Quelle

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